Freitag, 14. August 2015

Was wir von Kapitän Ahab lernen können

Wie so oft, geht es beim Schreiben des Drehbuchs wieder einmal viel mehr darum, wo etwas stehen soll und nicht, dass etwas stehen soll. Dass irgendwo etwas stehen soll, ist eh klar, weil ich meinen Darstellern ja keine weißen Blätter hinhalten kann. Aber das WO ist oft viel wichtiger, als das WAS. Ich denke nur an Moby Dick von Herman Melville. Dass die Pequod (der Walfänger - das Schiff) einen Kapitän haben wird, wird wohl auch der einfältigsten Landratte unter den Lesern klar sein, aber was macht Melville? Er zeigt ihn nicht. Stattdessen führt er nur sein Holzbein (weiß nicht mehr genau woraus es bestand) in die Handlung ein, das zur späten Stunde ruhelos über den Kojen der Matrosen am Deck auf und ab geht. Der Held hört es nur und seine Phantasie, seine Vorstellungswelt wird die unsere. Was für ein Unterschied wäre es da, hätte Melville nur geschrieben: Kapitän Ahab ist ein hochaufgeschossener Mann in dunkler Quäker Kleidung der, so fällt es einem zumindest bei näherer Betrachtung auf, statt dem linken Fuß eine Prothese trägt. Der Zauber wäre verflogen und das Pulver verschossen. Eine Gefahr birgt diese dramaturgische Trickserei allerdings: Man hat nämlich nicht ewig Zeit. Irgendwann wird der Zuschauer ungeduldig und spätestens dann verwandelt sich die Magie in billigen Budenzauber. So ist, um beim Beispiel zu bleiben, EINE Nacht okay, aber spätestens in den nächsten Seiten muss der Verborgene eingeführt werden, sonst macht das Lesen bzw. das Sehen keine Freude mehr.


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